Sind Olympische Spiele in Brasilien vertretbar?

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Eine Demonstration in Brasilien Anfang des Jahres und die olympische Eröffnungszeremonie 2012. Wie soll das dieses Jahr zusammenpassen?
Die Stadt aus der im Augenblick an meisten berichtet wird, ist wohl Rio de Janeiro, der Austragungsort der Olympischen Spiele 2016. Dem Sportfest, bei dem sich Sportler aus aller Welt fair messen sollen, was zeigen soll, dass gemeinsamer Sport über alle Grenzen hinweg möglich ist. 
Aber es gibt auch ein Rio de Janeiro, die Stadt, in dem Armenviertel, die jahrzehntelang von den Regierungen sich selbst überlassen wurden, durch Militär und Spezialeinheiten der Polizei von kriminellen Banden zurückerobert werden mussten. Die Stadt, vor deren Küste das Meer so verschmutzt ist, dass Segler und Ruderer in ihm keinen Sport machen wollen, da sie sich vor Krankheitserregern im Wasser fürchten. Deren Bundesstaat so pleite ist, dass er Sozialleistungen und Löhne für Beamte nicht oder nur unregelmäßig auszahlen kann, dem aber die Zentralregierung Brasiliens Geld zur Verfügung stellt, sodass die Spiele einigermaßen ruhig über die Bühne gehen können. In einem Land, das von einer Wirtschaftskrise, Korruption, einem fraglichen Machtwechsel, den manche einen Putsch nennen, und nicht zuletzt von einer Epidemie des Zika-Virus geschüttelt wird. 

Bei so einem krassen Widerspruch ist es kaum überraschend, dass beim traditionellen Olympischen Fackellauf dem Fackelträger der Weg durch die Stadt von der Polizei frei geprügelt werden musste. Studenten und Professoren protestierten, da aufgrund nicht ausgezahlten Gehältern normaler Betrieb in Bildungseinrichtungen derzeit unmöglich ist. Und das ist kein Einzelfall. Um das Bild einer Stadt zu liefern, die sich über ein Sportfest freut, unterdrücken Polizei und Militär Proteste gegen die schlechte soziale, wirtschaftliche und politische Lage in der Stadt und dem Land. Nun musste ein Gericht urteilen, dass friedlicher, politischer Protest auch im Umfeld der olympischen Spiele legal ist, auch wenn der IOC und die brasilianische Regierung das verhindern wollten. Braucht es noch mehr Warnsignale?

Bereits bei den olympischen Spiele der Antike war die grundlegende Idee, dass in der Zeit der Spiele alle kriegerischen Handlungen und Konflikte in Griechenland unterbrochen und alle Griechen gemeinsam an friedlichen Wettkämpfen teilnehmen sollten. Es ging  schon damals um Friede, Kooperation und Verständigung über Grenzen hinweg. Und die olympischen Spiele der Neuzeit stellen sich bewusst in diese Tradition. 
Wie ist es also vertretbar, dass im Namen dieser noblen olympischen Idee die gastgebende Stadt Geld, das dringend von Nöten wäre um das Leid ihrer Einwohner zu lindern, für gigantische Stadien ausgibt und die Menschen mit Gewalt daran gehindert werden, ihren Unmut darüber zu äußern?
Diese Frage stellt sich nicht nur bei diesen olympischen Spielen, sondern eigentlich jedes Mal, wenn ein internationales Großereignis in einem armen oder mit Gewalt beherrschten Land stattfindet. Bei den Olympischen Spielen in Peking 2008, der Fußball-WM in Südafrika 2010, den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 und auch bei der Fußball-WM in Brasilien im gleichen Jahr. Die Liste ist praktisch ewig lang und wird immer länger werden, man denke nur an die Fußball WM 2022 in Katar. 
Eigentlich müsste man auf Anhieb „Nein“ sagen. Schließlich ist das Resultat meist dass eine kleptokratische Führungselite für internationale Anerkennung und kurzfristigen wirtschaftlichen Profit das Volk beraubt und die Ressourcen des Landes statt in das Wohl der Bürger in protzige Bauten steckt, die nach dem Ende der Spiele meist leer stehen. Der versprochene wirtschaftliche Aufschwung bleibt oftmals aus. 
Doch auf der anderen Seite muss man sich auch fragen, ob es denn besser wäre, wenn die Spiele nicht in diesen Ländern stattfinden würden. Wenn die Veranstaltungsorte immer wieder in der westlichen Welt liegen würden, die ärmeren Länder damit praktisch ausgeschlossen wären. Wäre damit nicht viel mehr gegen die olympische Idee verstoßen?

Es ist eine Frage die man scheinbar nicht gerecht beantworten kann. Das liegt daran, dass der Fakt, dass man sich so eine Frage stellt, selbst ein Symptom von Ungerechtigkeit ist. Letztlich ist ist entscheidende Frage nämlich, wie sollen die Privilegierten dieser Welt mit den weniger Privilegien umgehen?
Sollen sie die Nöte dieser Menschen lieber ignorieren, in dem sie die internationale Großereignisse  nicht in den weniger privilegierten Ländern veranstalten, oder in dem sie die Ereignisse dort veranstalten und es den örtlichen Autokraten überlassen, ihnen diese Menschen aus dem Blickfeld zu schaffen. „Weder noch“, muss die Antwort sein. 


Wirklich im Geiste der olympischen Idee wäre es, wenn man die Olympischen Spiele zum Anlass nähme, darüber nachzudenken, wie man die Spaltung der Menschen in arm und reich überwinden könnte. 
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