Corbyn: Besser Kommunist in den Augen der Konservativen, als Status-Quo-Kandidat fürs eigene Klientel!




Dieser Text ist ein Kommentar zu dem am 10. Juni 2017 im Kontra-Blog erschienen Artikel „HEISST VON CORBYN LERNEN, SIEGEN LERNEN?“ von Florian Burkhardt. Für das Textverständnis ist es also unabdingbar, diesen Artikel sorgfältig gelesen zu haben.

In seinem Artikel „Heißt von Corbyn lernen, siegen lernen?“ kommt der Autor Florian Burkhardt, wenn ich den Text richtig verstehe, zu dem Ergebnis, die SPD sollte aus dem überragenden Ergebnis der Labour Party mit Jeremy Corbyn als Parteichef und PM-Kandidat nichts weiter lernen, als einen Wahlkampf wie bisher zu machen, in dem lediglich die Jugend besser angesprochen, weniger über den politischen Prozess diskutiert und mehr Professionalität und Geschlossenheit gezeigt wird.
Auf keinen Fall aber sollte sie sich eine  "Prise Linkspopulismus" von Corbyn abschauen. Das sei unmöglich und unnötig, weil eine Rhetorik, wie die Crobyns, für die SPD als Regierungspartei nicht vertretbar, das SPD-Programm genauso links wie das Labour-Manifesto und der Grund für Corbyns Erfolg sowieso nur der schlechte Wahlkampf der Tories gewesen sei.

Ich komme in meiner Analyse zu einem anderen Schluss.

Erstens: Warum genau "Linkspopulismus", wieso genau kann man sich von Corbyn "Linkspopulismus" abschauen? Ich verstehe unter Populismus das Verwenden von Scheinlösungen und Sündenböcken (wie "Machen wir Amerika wieder großartig, indem wir die Mexikaner rauswerfen"). Wenn Corbyn sagt, "Der NHS ist unterfinanziert, also lasst uns die Einkommenssteuer erhöhen und die Erlöse in ihn investieren, anstatt ihn zu privatisieren, wie es die Tories wollen.", dann ist das für mich auch dann kein Populismus, wenn er es in einer Art sagt, die Menschen mitreißt und begeistert. Oder ist das seit neuestem die Definition von Populismus?

Zweitens: Wenn eine Rhetorik, wie Corbyns, für die SPD nur möglich ist, wenn sie in der letzten Legislaturperiode Oppositionspartei war, warum fiel die Wahl 2013 dann so aus, wie sie ausfiel? Nein, wenn die Labour-Party von irgendjemand anderem als Corbyn geleitet worden wäre, dann wären alle noch so linken Versprechungen angesichts der Blair und Brown-Regierungsjahren unglaubwürdig gewesen. Corbyn hatte den Vorteil, dass er in keiner Verbindung zu irgendeiner vorherigen Regierung stand. Das hat Schulz übrigens mit ihm gemeinsam. Wieso also nicht eine Rhetorik mit der man sich von den schlechten Aspekten vorangegangener Regierungen abhebt?

Drittens: Das SPD-Programm ist jetzt schon genauso links/sozial wie das Labour-Manifesto? Kann sein, aber warum wissen das die Wähler nicht?  Wie es scheint sind sich nicht einmal SPD-Spitzenleute wie Nils Schmid, der Corbyn vor einiger Zeit noch als zu links zum Gewinnen bezeichnet hat, darüber im Klaren. Nein, im Ernst, wo fordert die SPD denn die (Wieder)verstaatlichung von Bahn, Post und Energiekonzernen, wann hat der das letzte mal ein SPD-Politiker ganz offen vorgeschlagen, Steuern zu erhöhen um Sozialleistungen zu sichern? 

Viertens: Das gute Ergebnis von Labour war nur eine Folge des schlechten Wahlkampf der Tories?  Mit Corbyn hat Labour das beste Ergebnis seit 12 Jahren erreicht, dabei war die Wahlbeteiligung so hoch, wie seit 20 Jahren nicht mehr. Sprich: Es schon eine ganze Weile her, dass so viele Menschen Labour gewählt haben. Wenn Mays schlechter Wahlkampf tatsächlich die Ursache für den Labour-Erfolg gewesen ist, hätte man dann nicht eher eine Demobilisierung der Tory-Wähler, also eine niedrigere Wahlbeteiligung, anstatt einer so guten Mobilisierung der Labour-Wähler und einer so hohen Wahlbeteiligung beobachten sollen? Des weiteren haben die Tories in dieser Wahl 5% dazugewonnen, die UKIP de facto absorbiert und in Umfragen über die Beliebtheit der Kandidaten stand  May bis zu letzt gar nicht so schlecht da. 
Labour hat auch keinen Anti-May-Wahlkampf geführt, sondern die eigenen Inhalte in den Mittelpunkt ihrer Kampagne gestellt.
Daher kann ich die Aussage nicht nachvollziehen, dass man aus Labour-Erfolg nicht schließen soll, dass die Wähler "eine Affinität für Jeremy Corbyns Kurs" haben.
Zumal weiter oben im Artikel noch behauptet wird, das Labour-Manifesto und das SPD-Programm seien sich gar nicht so unähnlich. Ist das eine Form von Sozialdemokratischem Selbsthass?

Was in dem Artikel nicht beachtet wird, ist das Corbyn als Outsider und radikaler Anti-Establishment-Kandidat angetreten ist und keine Angst davor hatte, mit dem herrschenden System klar zu brechen. So hat er es geschafft, dem Wähler zwei klare Option aufzuzeigen: Ein Weiterso mit Privatisierung, Austerität und hartem Brexit oder ein radikaler Kurswechsel mit Investitionen, (Wieder)verstaatlichungen, Umverteilung und weichem Brexit. Und ich denke das ist es, was die Labour-Party in dieser Wahl so erfolgreich gemacht hat, warum sie die Jugend und ihr Klientel so gut mobilisieren konnte.

Wenn die SPD also von Corbyns Überraschungserfolg (und übrigens auch von denen von Sanders, Melenchon, Podemos, usw) eines lernen kann, dann, dass die althergebrachte Annahme "Wahlen werden in der Mitte gewonnen" heutezutage nicht mehr gültig ist. Die Wähler sind nicht Gauß-Kurven-Förmig über eine Links-Rechts-Achse verteilt. 
Anstatt zu versuchen die Wähler der Mitte nicht zu verschrecken, indem man die eigenen Positionen verwässert, sollte es das Ziel des Wahlkampfs sein, das linke Potential, das es, wie man sieht, gibt, auszuschöpfen. Und das gelingt nur, wenn man sich traut Probleme klar zu benennen, starke linke sozialdemokratische Lösungen anzubieten und Interessenskonflikte anzuerkennen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. 
Denn am Ende des Tages ist es besser, wenn die politische Rechte einen für einen Kommunist hält, als wenn das eigene Klientel denkt, man sei ein Status-Quo-Kandidat.


Wendelin Wahn
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Bildquelle:
By Sophie Brown - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58697891

Leben wir wirklich in einer Demokratie?


Der Mensch ist ein Herdentier. Um zu Überleben, um seinen eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist er darauf angewiesen mit anderen Menschen in Gruppen zusammenzuleben. Aber damit friedliches Zusammenleben möglich ist, damit Projekte bei denen viele Menschen zusammenarbeiten gelingen, damit eine Gesellschaft funktioniert, braucht es Pläne und Gesetze. Sprich, es müssen Entscheidungen getroffen werden, die von allen betroffenen Menschen anerkannt werden.
Und so sieht sich jede Menschengruppe mit der Frage konfrontiert, wer diese Entscheidungen wie für sie treffen soll. Im Laufe der Geschichte haben Menschen auf diese Frage verschiedenste Antworten gefunden. Letztlich hat sich jedoch die Demokratie als System zur Entscheidungsfindung durchgesetzt. 

In einer Demokratie trifft, zumindest dem Namen nach, das Volk, also alle Menschen gemeinsam, die Entscheidungen. Das ist jedoch schwerer als es sich anhört, wenn man bedenkt, dass das Volk, im Gegensatz zu den Vorstellung der Totalitären aus jeder politischer Richtung, kein einheitliches Konstrukt ist, sondern aus einer Vielzahl von Individuen mit unterschiedlichen, zum Teil einander entgegengesetzten, Bedürfnissen, Interessen und Meinungen besteht. Den viel beschworenen Volkswillen gibt es also nicht. Daher müssen, wenn Entscheidungen durch das Volk getroffen werden sollen, unterschiedliche Interessen so gegeneinander abgewogen und solche Kompromisse gefunden werden, dass die Menschen davon überzeugt sind, dass diese Option mehr Menschen nutzt, als sie Menschen schadet. 
Das kann nur gelingen wenn es einen breiten Dialog gibt, an dem sich alle Menschen gleichermaßen beteiligen können und in dem die Interessen und Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen berücksichtigt werden. Einen solchen Dialog zu etablieren, ist jedoch schon aus rein logistischen Gründen unmöglich und man muss des weiteren bedenken, dass nicht jeder Mensch das Interesse und das Wissen im Bereich der Politik hat, um sich in einen solchen Dialog einzubringen. 
Um dieses Problem zu lösen gibt es das System der Repräsentativen Demokratie. Hier wird die politische Macht vom Volk durch eine Wahl auf Repräsentanten übertragen, die dann im Sinne der Menschen diesen Dialog führen. Damit ein solches Repräsentativen System wirklich demokratisch genannt werden kann, muss jedoch sichergestellt werden, dass im entscheidenden Dialog, den dann die Repräsentanten miteinander führen, die Interessen, Bedürfnisse und Meinungen eines jeden Menschen gleichermaßen berücksichtigt werden. 
Wenn wir uns also fragen, ob wir in einer Demokratie leben, müssen wir überlegen ob das auf unser parlamentarisches System zutrifft. 

Gleich auf den ersten Blick muss man ehrlich sagen, dass das nicht immer der Fall sein kann. Man denke nur an die Positionen unserer Repräsentanten beim Thema Freihandel, wo sie bereit sind, die Umwelt- und Sozialstandards für höhere Unternehmensprofite auszuhebeln, oder den Umgang mit der Eurokrise, bei denen die Interessen der Gläubiger ganz eindeutig höher stehen, als die der griechischen Bevölkerung oder der deutschen Steuerzahler. Es steht also ganz außer Frage, dass die Interessen aller Menschen nicht immer gleichermaßen beim politischen Entscheidungsprozess berücksichtigt und fair gegeneinander aufgewogen werden. Aber woran liegt das?

Zuerst einmal muss man bedenken, dass in Deutschland bei weitem nicht alle Macht in den Händen von demokratischen Institutionen, die den Auftrag haben, im Interesse aller Menschen zu handeln, liegen. Viele Entscheidungen, die das Leben vieler tausend Menschen betreffen, werden vielmehr von kleinen Gruppen von Menschen, die sich um niemand andern kümmern müssen, als sich selbst, getroffen: Nämlich fast alle Entscheidungen in der Wirtschaft. Hier werden die demokratischen Prinzipien mit Hinweis auf das Recht auf Eigentum völlig ignoriert. 
Für die meisten Menschen ist diese Trennung zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht selbstverständlich und wie in Stein gemeißelt. Dabei ist sie keineswegs ein Naturrecht, sondern existiert erst seit höchstens 300 Jahren. Davor war es selbstverständlich das die wirtschaftliche Macht in den Händen derjenigen lag, die auch die politische Macht inne hatten. 
Das an die Wirtschaft nicht die selbe Forderung nach Demokratie gerichtet wird, wie an die Politik, ist also eine Besonderheit unserer Zeit, die durchaus kritisch hinterfragt werden muss. 
Denn sie ist nicht nur an sich undemokratisch, sondern wirkt sich auch negativ auf die Funktionsweise des demokratischen Entscheidungsfindungs-Systems in den Bereichen, in denen es bereits etabliert ist, aus. Dank ihr ist es den wirtschaftlichen Machthaltern nämlich möglich unsere Repräsentanten unter Druck zu setzen. Beispielsweise durch die Drohung die Produktion in andere Länder zu verlagern, wenn sich im demokratischen Prozess Entscheidungen ergeben sollten, die ihrem Streben nach Profit widersprechen. 

Außerdem muss man sich einmal überlegen, woher die Volksvertreter überhaupt wissen sollen, welche Bedürfnisse, Interessen und Meinungen bestimme Menschengruppen haben. In Deutschland leben 80 Millionen Menschen, während der Bundestag nur rund 600 Mitglieder hat. Da ist es doch klar, dass es nur schwerlich möglich ist, einen direkten Dialog zwischen allen Teilen der Bevölkerung und den Volksvertretern zu etablieren. Hier besteht stets die Gefahr, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, die die Möglichkeit haben sich Zugang zu unseren Repräsentanten zu schaffen, ihnen vorgaukeln können, dass ihre Interessen, Meinungen und Bedürfnisse von weit mehr Menschen geteilt werden, als es eigentlich der Fall ist.  

Und selbst wenn es nun der Fall wäre, dass Politiker ganz genau wüssten, welche Bedürfnisse, Interessen und Meinungen die Menschen in Deutschland haben, sind auch Politiker nun einmal menschlich. Und wie jeder andere Mensch ist es auch für Politiker nicht möglich ganz altruistisch nur im Interesse andere Menschen zu handeln. Auch sie haben ihre eigenen Interessen stets im Hinterkopf, auch sie überlegen sich stets wie sie ihren Besitz an Geld und Macht vergrößern können. 
So liegt es in der Natur eines repräsentativen Systems, das es anfällig für Probleme wie Populismus und Lobbyismus ist. 
Unter Populismus kann man in diesem Zusammenhang verstehen, dass Volksvertreter ihr Streben nach mehr Macht über ihre eigentliche Aufgabe stellen und daher die Bedürfnisse, Interessen und Meinungen bestimmter Bevölkerungsgruppen wichtiger nehmen, als die aller anderen, um sich durch Wahlen einen Machtzuwachs zu verschaffen. Beim Lobbyismus tuen Politiker das selbe, in diesem Fall jedoch aufgrund von materiellen Gefälligkeiten, die ihnen Vertreter einer bestimmten Bevölkerungsgruppe anbieten.  

Die nicht demokratisch legitimierte Macht andere Akteure, die Trennung zwischen Abgeordneten und Bevölkerung und die pure Menschlichkeit der Abgeordneten stellen also stetiges Problem für eine, durch ein parlamentarisches System ausgestaltete, Demokratie dar. So kommt es, dass wir auch in unserer Demokratie immer wieder spüren, dass die Interessen, Bedürfnisse und Meinungen bestimmter Gruppen stärker berücksichtigt werden, als die anderer. Aber auch diese Probleme sind nicht unbekämpfbar. 
Gegen die meisten würde ein engeres Verhältnis zwischen den Menschen und Abgeordneten helfen. So könnte schon eine Veränderung der Parteistrukturen der großen deutschen Parteien, die den Menschen an der Basis mehr Einfluss geben würde, die Distanz zwischen Vertretern und Zuvertetenen verbessern. 


Schlussendlich muss man sagen, dass Demokratie keineswegs etwas ist, dass in vollkommener Form irgendwo auf der Welt real existiert, sondern vielmehr ein schwer zu erreichender Idealzustand. Doch nichts desto trotz lohnt es sich zu kämpfen, um die Art und Weise, wie wir Entscheidungen treffen, näher an diesen Idealzustand heranzubringen.  
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Ist die AfD wirklich antidemokratisch?


Die AfD zeichnet mit ihrem Programm und dem Verhalten ihrer Vertreter die Vision eines Deutschland, in dem die Mehrheit der Menschen nicht leben will. Eine Vision, die fundamental den für unsere jetzige Gesellschaft typischen Grundwerten, wie Toleranz, Liberalismus, Pluralismus und so weiter, widerspricht. 

Zuerst einmal muss man klar sagen: Nein, die AfD ist keine antidemokratische Partei, wie etwa die NSDAP. Nirgendwo, nicht ihrem Parteiprogramm, nicht in einer einzigen Aussage eines ihrer Vertreter, lässt sich ein Hinweis darauf finden, dass es ihr Ziel ist, die parlamentarische Demokratie abzuschaffen, andere Parteien zu verbieten und eine Diktatur zu errichten. 
Und dass sie kontroverse Werte und Visionen offen vertritt, die zurecht als rassistisch, reaktionär und menschenfeindlich bezeichnet werden, ist kein Beweis. In einer Demokratie muss es einen offen Wettstreit zwischen verschiedenen Ideen und Visionen, guten und schlechten, geben.  

Aber, nachdem das gesagt ist, sollte man trotzdem einige Dinge bedenken, bevor man die AfD von jedem Undemokratie-Verdacht freispricht. 
Zum einen muss man sich anschauen, wie die AfD Politik macht. Sie verfolgt eine klassische populistische Strategie: Statt zielorientiert und sachlich auf Veränderungen hinzuarbeiten, versucht die AfD bei jeder Gelegenheit zu polarisieren, um sich selbst als Anti-Establishment Partei darzustellen. Daher äußert sie sich stets nur zu einigen wenigen Themen, die gerade in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, zum Beispiel dem Zustand der EU, der Flüchtlingskrise oder neuerdings dem Islam, und versucht dort die Debatte durch extreme Aussagen anzuheizen. So sagten AfD Vertreter, während der Flüchtlingskrise, dass man Flüchtlinge auch mit Waffengewalt daran hindern sollte, die deutsche Grenze zu überqueren, oder, dass der Islam nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Wenn dann aber verschiedene gesellschaftliche Akteure ihr entgegentreten, stellt sie sich als Opfer des angeblich undemokratischen Mainstreams dar. 
Gleichzeitig bleibt ihr Programm bei weniger kontrovers diskutierten, dafür um so wichtigeren, Themen, meist unscharf. Niemand weiß beispielsweise so ganz genau, welche Wirtschafts- und Sozialpolitischen Positionen die AfD vertritt. Folgt man ihrem Anti-Establishment-Aussagen und ihrem Auftreten, sollte man zu dem Schluss kommen, die AfD würde einen sozialpatriotischen Ansatz verfolgen, in ihrem Parteiprogramm stellt sie sich jedoch wirtschaftsliberal und marktradikal dar. 
Man kann also sagen, dass die AfD mit ihrer Art Politik zu machen, nicht dazu beiträgt Politik tatsächlich im Sinne der Menschen zu gestalten, sondern vielmehr eine aggressivere Grundstimmung und eine tiefe Spaltung der deutschen Gesellschaft zu erzeugen. Damit schadet sie der deutschen Demokratie beträchtlich. 

Rechtsradikale der "Identitären Bewegung" auf einer
AfD-Demo in Geretsried 
Des weiteren muss bedacht werden, wer durch den Erfolg der AfD und die politische Kultur, die sie erzeugt hat, ermutigt und inspiriert wird. Fakt ist, es gibt in Deutschland so viele rechte Gewalttaten, wie schon lange nicht mehr. Neonazis mit klar antidemokratischen Gedankengut laufen auf von AfD organisierten Demonstrationen mit, finden dort ein Publikum und die Möglichkeit neue Mitglieder anzuwerben. 
Doch nicht nur von außerhalb profitieren Rechtsextreme vom Aufstieg der AfD, Fälle, wie der des baden-württembergischen AfD Abgeordneten und Antisemiten Wolfgang Gedeon, beweisen, dass sich Individuen mit klar rechtsextremen und antidemokratischen Überzeugungen auch innerhalb der AfD wohl fühlen und dort sogar bedeutende Ämter erlangen können. 
Ob beabsichtig oder nicht, die AfD hat mitgeholfen in Deutschland ein politisches Klima zu erzeugen, in dem sich Demokratiefeinde aus der radikal rechten Ecke trauen offen aktiv zu werden und sogar in Machtpositionen gelangen können. 

Und zu guter Letzt darf man nicht vergessen, dass mehr dazu gehört ein Demokrat zu sein, als nur das bestehende parlamentarische System zu akzeptieren. Dazu gehört ohne Zweifel auch die Grundlegende Überzeugung, dass alle Menschen sich am politischen Entscheidungsprozess beteiligen können sollten und dass Probleme am besten mit einem transparenten, ehrlichen und möglichst die Interessen aller Betroffenen berücksichtigenden Prozess gelöst werden sollten.
Bei der AfD jedoch scheint es nicht so, als läge ihrem Handel diese Überzeugung zugrunde. Stattdessen macht sie immer wieder deutlich, dass sie sich eigentlich nur um die kleine Minderheit der weißen, christlichen, heterosexuellen, rechtskonservativen Menschen kümmern will. Politiker, die sich auch den Bedürfnissen der Menschen, die nicht in das Raster der AfD passen, annehmen, werden aus ihrem Umfeld gerne als „Volksverräter“ bezeichnet und ihnen wird ihre aus demokratischen Wahlen beruhende Legitimation abgesprochen. Gleiches passiert den Medien, die sich mehr der Wahrheit, als dem Weltbild der Rechtspopulisten verpflichtet fühlen, sie werden mit dem Schmähnamen „Lügenpresse“ bedacht. 
Dieses selektive Demokratieverständnis, nur eine kleine Menschengruppe als wirklich entscheidend anzusehen, während dem Rest der Menschen das Recht, im politischen Prozess berücksichtigt zu werden, abgesprochen wird, ist typisch für Rechtspopulisten und eine echte Gefahr für die deutsche Demokratie. 


Zusammengefasst kann man sagen, dass die AfD zwar keine antidemokratische Partei, mit dem direkten Ziel die deutsche Demokratie abzuschaffen ist, aber auch keine wirklich demokratische. All zu oft bleibt die demokratische Gesinnung vieler ihrer Vertreter zweifelhaft. Und dass der Aufstieg der AfD mit populistischen Art und Weise Politik zu machen einen negativen Einfluss auf die Funktionalität und Stabilität des demokratischen Systems in Deutschland hat ist unbestreitbar!   
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Eine Linke ohne Arbeiterbewegung? Teil 3 - Für wen soll die Linke heute kämpfen?


Wer heute noch mit dem Schlachtruf „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ in Richtung einer klassenlosen Gesellschaft schreiten will, macht sich lächerlich. Die Zeit der traditionell-proletarischen Linken ist vorbei. Zumindest in Europa. Ihr fehlt die gesellschaftliche, die ökonomische Grundlage, um weiterhin erfolgreich zu agieren: Unser jetziges Wirtschaftssystem ermöglicht dem klassischen Klientel der Linken, den stabil lohnabhängig Beschäftigen, einen so hohen Lebensstandard, dass es den meisten nicht mehr lohnend erscheint auf gesellschaftliche Veränderung hinzuwirken. Und nichts ist aussichtsloser, als ihnen, mit dicken Philosophie-Büchern in der Hand, erklären zu wollen, warum sie doch unterdrückt seien.

Das stürzt die Linke in eine tiefe Identitätskrise. Für wen soll man denn nun kämpfen, an wessen Lebensumständen kann man seinen Erfolg messen. Und nicht nur das, wer soll einen unterstützen, wer soll einen wählen. 
Es ist ein Fakt, dass keine politische Bewegung erfolgreich sein kann, wenn sie nur aus Idealisten mit „angelesenen“ Überzeugungen besteht. Eine jede Bewegung ist auf Unterstützer angewiesen, die sie stützen, weil sie von ihr eine konkrete Verbesserung ihrer eigenen Lebensumstände erwarten. Nur so kann man Massen auf seine Seite bringen. 
Wem also kann die Linke, mit ihrer Vision einer Gesellschaft frei von Unterdrückung, eine konkrete Verbesserung der Lebensumstände versprechen. Wer ist unserer Gesellschaft noch unterdrückt? 
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich überlegen, welche Auswüchse des heutigen System, auf wirtschaftlicher, aber auch auf politischer, sozialer und ökologischer, Ebene negativen Einfluss auf das Leben verschiedener Menschengruppen haben. 

Auf wirtschaftlicher Ebene wäre dabei Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung zu nennen. Durch diese Prozesse hat sich das Wirtschaftsleben überall auf der Welt grundlegend verändert, zahlreiche gut bezahlte Jobs wurden, durch Outsourcing oder Automatisierung, entweder in schlecht bezahlte Jobs in Billiglohnländern umgewandelt oder gänzlich vernichtet. Des weiteren hat die Konkurrenz zwischen Menschen und Staaten überall auf der Welt zugenommen, sodass durch den Race-To-The-Bottom-Effekt die Sozialsysteme, eine der größten Errungenschaften der Arbeiterbewegung, in Gefahr sind. So ist heute eine größere Zahl an Menschen von Sozialsystemen abhängig, weil der Markt nicht für ihre Versorgung sorgen kann, während gleichzeitig weniger Geld zur Verfügung steht. Es ist eine größer werdende Gruppe der Abgehängten entstanden, deren Versorgung stets unsicher ist.

Gleichzeitig gibt es zahlreiche soziale Probleme, die gelöst werden müssen. In Anbetracht der sogenannten Flüchtlingskrise, ist es offensichtlich geworden, dass Rassismus nach wie vor ein Problem in ganz Europa ist. Doch nicht nur Ausländer, sondern auch Frauen, Homosexuelle, letztlich jeder der sich auf irgendeine Weise vom Durchschnitt der Gesellschaft unterscheidet, hat nach wie vor mit Diskriminierungen zu rechnen. 

Ebenso im Bereich der Ökologie. Man darf in Anbetracht der kurzfristigen Aufgaben, die die Gesellschaft bewältigen muss, nicht vergessen, dass weiterhin der ökologische Kollaps droht, wenn wir weiterhin Raubbau an unserer Lebensgrundlagen betreiben. Schon heute bekommen Menschen überall auf der Welt die Folgen der von Menschen verursachten Umweltveränderungen zu spüren. Seien es Dürren, Überschwemmungen oder andere Umweltkrisen, ihre Opferzahl ist steigend.

Und auch auf der politischer Ebene sind die Forderungen, die die Menschen an das herrschende System stellen, längst nicht erfüllt. Immer mehr Menschen verzweifeln an der Intransparenz, an der der Bürokratisierung und am Mangel an echter Demokratie und Bürgerbeteiligung, die unserem politischem System zu eigen sind. Bei manchen politischen Entscheidungen, wie beim Thema Freihandel, erscheint es, dass im Endeffekt die Interessen einer politischen und wirtschaftlichen Elite wichtiger sind, als die Interessen und die Meinung der Mehrheit der Menschen. 

Und das ist sicherlich noch nicht einmal ein Bruchteil der Prozesse, die heutzutage Menschen daran hindern ihre sozialen und materiellen Bedürfnisse zu befriedigen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Man kann also sehen, dass es ein Fakt ist, dass Unterdrückung in unserer Gesellschaft weiterhin existiert. Doch ihre Formen haben sich verändert, manche Formen der Unterdrückung werden von den Menschen heute als wichtiger angesehen, andere sehen sie nicht mehr als dringend an. 

Wichtig ist für die Linke, nicht zu versuchen, mit Hilfe von Philosophen oder aus linker Tradition heraus zu bestimmen, welche Formen der Unterdrückung als Erste angegangen werden müssen, sondern vielmehr auf die Bedürfnisse, die Meinungen und die Interessen der Menschen einzugehen und diese mit linken Ideen zu verbinden. Dafür braucht es Interaktion mit allen Schichten der Gesellschaft. 
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Eine Linke ohne Arbeiterbewegung? Teil 2 - Sind die Arbeiter heute noch unterdrückt?

Die Linke Idee ist es gegen jede Art von Unterdrückung für freie Gesellschaft zu kämpfen. Linke sind also diejenigen, die denen, die aufgrund ihnen gegenüber repressiven Machtstrukturen daran gehindert werden ihre materiellen und sozialen Bedürfnisse zu befriedigen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, helfen, in dem sie die Machtstrukturen verändern. Seit der Industriellen Revolution, schien stets klar, wer von den Machtstrukturen des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systems am ärgsten unterdrückt war. Die Arbeiter!
Deshalb kämpfte die europäische Linke stets für bessere Lebensumstände der Arbeiter und rekrutierte und agitierte daher vor allem im Arbeitermilieu. Die Linke Bewegung in Europa war eine Arbeiterbewegung.

Heute jedoch sieht die Sache anders aus. Immer weniger Arbeiter identifizieren sich heute noch als Linke. Die linke Arbeiterbewegung scheint abgeflaut zu sein. Die Institutionen der Arbeiterbewegung, wie Gewerkschaften, Arbeiterparteien und Vereine, leiden unter Mitgliederschwund und fehlender Anerkennung. Immer mehr sind Akademiker und Intellektuelle, die aus „angelesener“ Überzeugung gegen Ungerechtigkeit kämpfen wollen, zu den Trägern der linken Bewegung geworden. Aber wieso? Wieso gibt es diese Trennung zwischen den Arbeitern und der politischen Linken? 

Ein möglicher Erklärungsansatz wäre, dass Arbeiter,  präziser Lohnabhängige, heutzutage, zumindest in Westeuropa, nicht mehr unterdrückt sind. Zweifellos gibt es noch andere Erklärungsansätze, aber dieser muss auch ernst genommen werden. Werden Lohnabhängige aufgrund der Machtstrukturen in unserer Gesellschaft heute noch davon abgehalten ihre materiellen und sozialen Bedürfnisse zu erfüllen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen?

Auf den ersten Blick sind die Machtstrukturen in der Wirtschaft unverändert. Noch heute besteht die Spaltung der Menschheit, in diejenigen, die vom Ertrag des von ihnen besessen Kapitals leben können, und diejenigen, die zum Überleben ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Daran hat sich nichts geändert. 
Zu Anfangszeiten der linken Bewegung bedeutete das, dass die Kapitaleigentümer Macht über die Lohnabhängigen hatten, was sie ausnutzten um diese für ihren persönlichen Profit auszubeuten und damit zu unterdrücken. Diese Macht stützte sich vor allem darauf, dass, egal welche Stelle im Betrieb sie besetzten wollen, das Angebot an Arbeitskräften stets höher war als ihre Nachfrage. Der Preis der Arbeitskraft, der Lohn, war also niedrig, in beinahe allen Fällen zu niedrig um damit die materiellen und sozialen Bedürfnisse der Arbeiter zu befriedigen.  
Und hier hat sich seitdem etwas gewandelt. Für viele Stellen im Betrieb wird heutzutage KnowHow benötigt, das nur wenige Menschen haben. Zumindest wenn es um gut ausgebildete Menschen geht, ist die Nachfrage nach ihrer Arbeitskraft im Verhältnis zum Angebot so groß, dass die Löhne für viele Lohnabhängige zufriedenstellend hoch sind. 
Und noch etwas anderes hat die Macht der Eigentümer beschnitten: Die politischen und sozialen Auswirkungen der Arbeiterbewegung. Arbeitnehmerschutz-Gesetze, Sozialversicherungen, die gesetzliche Stellung von Gewerkschaften und andere staatliche und zivilgesellschaftliche Maßnahmen haben das Leben der Lohnabhängiger dauerhaft verbessert. 

Doch aufgrund dieser Entwicklungen zu behaupten, das Leben der Lohnabhängigen würde nicht mehr von repressiven Machtstrukturen erschwert werden, wäre auch nicht korrekt. 
Zumal die erste Entwicklung sowieso nur für Menschen gilt, die Zugang zu Bildung hatten und sich daher gefragtes KnowHow aneignen konnten. Wer keine Möglichkeit hat, dies zu tun, hat auch heute noch zu leiden. Das wird dadurch verschärft, dass niedrig qualifizierte Arbeiter heutzutage auf dem internationalen Markt mit Menschen in der dritten Welt konkurrieren müssen. Ihnen droht daher ständig Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg und materielle Not. 
Und auch die staatlichen Regelungen, die die Arbeiter gegenüber den Eigentümer der Produktionsmittel eine gewisse Macht geben, sind in Gefahr. Durch die Globalisierung können sich die Kapitalisten heutzutage aussuchen, in welchem Staat sie den Menschen ihre Arbeitskraft abkaufen. Da sie das natürlich stets in den Staaten machen, in denen die staatliche Regulierung des Arbeitnehmer-Arbeitgeber Verhältnisses am laxesten ist, aber jeder Staat ihr Kapital bei sich haben will, setzten sie somit die Staaten unter Druck ihre Regulierungen zu lockern. Dieser Race-To-The-Bottom-Effekt, die Konkurrenz der einzelnen Staaten, darum welcher am Investoren-freundlichsten ist, bedeutet praktisch mehr Unterdrückung für die Lohnabhängigen.  
Des weiteren muss man sagen, dass auch hochqualifizierte Arbeitskräfte, ihren Job nicht mehr frei wählen können, wenn sie aufgrund von Schulden, Familie oder ähnlichem erst einmal in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Viele sehen sich dann an einen Job gebunden und stehen ihrem Arbeitgeber damit machtlos gegenüber. 

Und wenn man einmal über Deutschland und Westeuropa hinaus und dahin, wo heutzutage ein großer Teil der industriellen Fertigung stattfindet, schaut, nämlich in Entwicklungs- und Schwellenländer, ist es völlig absurd von nicht unterdrückten Arbeitern zu sprechen. Hier sind durch das Zusammenspiel von schwachen und/oder undemokratischen Staaten und der Profitsucht der Kapitalisten Zustände der absoluten Machtlosigkeit der Arbeiter entstanden. 

Zusammengefasst könnte man sagen, dass in unserem heutigen globalen System die Unterdrückung der Arbeiterschaft, der Masse der Lohnabhängigen, nach wie vor gegeben ist. Jedoch scheinen sich die Zustände zumindest in Westeuropa, durch Sozialgesetzgebung und hoher Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitern, so verbessert zu haben, dass viele Lohnabhängige sie für tolerierbar genug halten, um nicht mehr gegen sie Aktiv zu werden . Gleichzeitig gibt es in den meisten Gebieten, in denen Arbeiter heute noch extrem unterdrückt werden, vor allem in Schwellen und Entwicklungsländer, keine traditionelle Arbeiterbewegung. 

Diese Veränderungen im Verhältnis zwischen Kapitaleigentümern und Lohnabhängigen mögen nicht der einzige Grund für das Abflachen der Arbeiterbewegung sein, ignorieren kann die politisch Linke sie aber in keinem Fall. 
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By Children's Bureau Centennial; Lizenziert unter CCBY 2.0

Eine Linke ohne Arbeiterbewegung?

Lange Zeit zielten die Forderungen der Linken auf eine Verbesserung des Lebens der Arbeiter ab. Doch heute scheinen viele Arbeiter Niemanden mehr zu wollen, der für sie kämpft. 
Über ein Jahrhundert lang war die Arbeiterbewegung die treibende Kraft der linken Bewegung in Europa. Arbeiter stürzten zumindest in Deutschland mit Aufständen und Revolutionen den Adel ein für alle Mal, mit ihren Stimmen kamen Demokraten und Sozialisten in politische Ämter, durch ihre Solidarität und Organisation in Gewerkschaften wurde die alleinige Macht der Eigentümer über Produktionsmittel gebrochen. Sprich durch die Anstrengungen der Arbeiter ihre eigenen Lebensbedingungen zu verbessern, machten sie die Gesellschaft demokratischer, freiheitlicher, gerechter und solidarischer. Sie waren die treibende Kraft, die uns näher an eine klassenlose Gesellschaft brachte. 

Doch diese Bewegung scheint zumindest in Europa abgeflacht zu sein. Ist es die hohe Nachfrage nach gut qualifizierten Arbeitskräften, die für gute Arbeitsbedingungen und hohe Löhne sorgt? Ist es das Abschreckende Beispiel der Ostblock-Staaten, das zeigt, das auch die Arbeiterbewegung auf einen schrecklichen Irrweg kommen kann? Oder ist es die Tatsache, dass viele Jobs mit schlechten Bedingungen und niedrigem Lohn in Staaten mit repressiven Regierungen outgesourct wurden, in denen es den Arbeitern unmöglich ist für bessere Lebensumstände zu kämpfen? Egal woran es liegt, es ist ein Fakt, dass die Mehrheit der Arbeiter erst immer weniger radikal für gesellschaftlichen Fortschritt kämpften und inzwischen komplett damit aufgehört haben. Heutzutage wählen genau so viele Arbeiter Parteien aus dem Rechten Lager, wie Parteien aus dem Linken Lager, die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften gehen zurück, viele alte Institutionen der Arbeiterbewegung haben ernsthafte Existenzprobleme. Ihnen bricht die Basis weg, übrig bleiben diejenigen, die aus Überzeugung und nicht für eine Verbesserung ihrer eigenen Lebensumstände gekämpft haben. 

Doch die übrige Linke hat nicht nur ein Problem durch die zu niedrige Anzahl an Wählern und Unterstützern, nein, sie steht auch vor einer ernsthaften Identitätskrise. Früher war es klar, wessen Interessen man vertreten sollte, wessen Leben man verbessern wollte. Heute ist das nicht mehr so klar. Soll man der Arbeiterschaft in die Mitte oder sogar nach Rechts folgen? Heißt links sein nicht, nicht Arbeiterinteressen vertreten? Kann man denn linke Politik ohne Arbeiter machen? Was bedeutet es denn heutzutage linke Politik zu machen?

Um diese Fragen zu beantworten, muss man sich überlegen warum die Arbeiterbewegung eigentlich links war. Warum konnten Arbeiter für ihr eigenen Interessen, für ein besseres Leben für sich selbst, kämpfen und gleichzeitig die Gesellschaft verbessern. Wenn das Banker oder Politiker machen, funktioniert es aus irgendeinem Grund nicht so. 
Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. 
Die Arbeiter waren, als die Arbeiterbewegung startete, Ende des 19. Jahrhunderts, unterdrückt. Zu diesem Zeitpunkt lag die gesamte wirtschaftliche Macht in den Händen der Fabrikbesitzer, diese konnten aufgrund der hohen Anzahl an Arbeitslosen, Löhne drücken und schlechte Arbeitsbedingungen unverändert lassen. Für jeden der etwas dagegen sagte oder sich weigerte für kaum Geld extrem anstrengende Arbeitern zu machen, warteten vor den Fabriktoren zehn, die dazu bereit waren. Die politische Macht war hauptsächlich in der Hand des deutschen Adels und der wohlhabenden Bürgern, immerhin galt damals ein Zensuswahlrecht, wie viel die Stimme des Einzelnen zählte, hing davon ab, wie viele Steuern er zahlte. So konnten die Arbeiter innerhalb des Systems nichts daran ändern, dass sie wirtschaftlich ausgebeutet wurden und mussten im Ersten Weltkrieg, in dem sie den Großteil der Soldaten stellten, die Suppe auslöffeln, die eine Außenpolitik eingebrockt hatte, die sie nicht mitbestimmen konnten. 
Die Mächtigen dieser Gesellschaft nutzten ihre Macht gnadenlos aus, um die machtlosen Arbeiter für ihren persönlichen Reichtum und ihre Geltungssucht auszubeuten. 

Als sie sich also in Gewerkschaften organisierten und Parteien gründeten, versuchten die Arbeiter also die Macht der Fabrikbesitzer und Adeligen zu brechen, sich selbst Mitbestimmung zu erkämpfen und so ein gesellschaftliches System zu schaffen, dass auch ihnen, nicht nur den damals Mächtigen, ein gutes Leben ermöglicht. Damit verkörperten sie ganz genau den linken Gedanken. 
Wenn die Machtlosen um die Macht kämpfen, die sie brauchen um sich selbst ein gutes Leben zu sichern ist das ein linker Kampf. Wenn Menschen die bereits Macht und ein gutes Leben haben um noch mehr Macht kämpfen, nicht. 

Heute scheint es so, als hätte die Arbeiterschaft in Europa diesen Kampf gewonnen. Zumindest sind viele Arbeiter mit ihrem Leben zufrieden genug, um nicht weiter um Verbesserung zu kämpfen zu wollen. 

Doch das heißt nicht das der linke Kampf, darum einem jedem Menschen die Möglichkeit, die Macht, zu geben ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen, gewonnen ist. Wenn Linke aus Überzeugung heute fragen, für wen sie kämpfen sollen, sollten sie sich fragen, wer denn heute noch unterdrückt, wer heute noch durch Machtstrukturen unserer Gesellschaft daran gehindert wird, ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen.
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Sind Olympische Spiele in Brasilien vertretbar?

Eine Demonstration in Brasilien Anfang des Jahres und die olympische Eröffnungszeremonie 2012. Wie soll das dieses Jahr zusammenpassen?
Die Stadt aus der im Augenblick an meisten berichtet wird, ist wohl Rio de Janeiro, der Austragungsort der Olympischen Spiele 2016. Dem Sportfest, bei dem sich Sportler aus aller Welt fair messen sollen, was zeigen soll, dass gemeinsamer Sport über alle Grenzen hinweg möglich ist. 
Aber es gibt auch ein Rio de Janeiro, die Stadt, in dem Armenviertel, die jahrzehntelang von den Regierungen sich selbst überlassen wurden, durch Militär und Spezialeinheiten der Polizei von kriminellen Banden zurückerobert werden mussten. Die Stadt, vor deren Küste das Meer so verschmutzt ist, dass Segler und Ruderer in ihm keinen Sport machen wollen, da sie sich vor Krankheitserregern im Wasser fürchten. Deren Bundesstaat so pleite ist, dass er Sozialleistungen und Löhne für Beamte nicht oder nur unregelmäßig auszahlen kann, dem aber die Zentralregierung Brasiliens Geld zur Verfügung stellt, sodass die Spiele einigermaßen ruhig über die Bühne gehen können. In einem Land, das von einer Wirtschaftskrise, Korruption, einem fraglichen Machtwechsel, den manche einen Putsch nennen, und nicht zuletzt von einer Epidemie des Zika-Virus geschüttelt wird. 

Bei so einem krassen Widerspruch ist es kaum überraschend, dass beim traditionellen Olympischen Fackellauf dem Fackelträger der Weg durch die Stadt von der Polizei frei geprügelt werden musste. Studenten und Professoren protestierten, da aufgrund nicht ausgezahlten Gehältern normaler Betrieb in Bildungseinrichtungen derzeit unmöglich ist. Und das ist kein Einzelfall. Um das Bild einer Stadt zu liefern, die sich über ein Sportfest freut, unterdrücken Polizei und Militär Proteste gegen die schlechte soziale, wirtschaftliche und politische Lage in der Stadt und dem Land. Nun musste ein Gericht urteilen, dass friedlicher, politischer Protest auch im Umfeld der olympischen Spiele legal ist, auch wenn der IOC und die brasilianische Regierung das verhindern wollten. Braucht es noch mehr Warnsignale?

Bereits bei den olympischen Spiele der Antike war die grundlegende Idee, dass in der Zeit der Spiele alle kriegerischen Handlungen und Konflikte in Griechenland unterbrochen und alle Griechen gemeinsam an friedlichen Wettkämpfen teilnehmen sollten. Es ging  schon damals um Friede, Kooperation und Verständigung über Grenzen hinweg. Und die olympischen Spiele der Neuzeit stellen sich bewusst in diese Tradition. 
Wie ist es also vertretbar, dass im Namen dieser noblen olympischen Idee die gastgebende Stadt Geld, das dringend von Nöten wäre um das Leid ihrer Einwohner zu lindern, für gigantische Stadien ausgibt und die Menschen mit Gewalt daran gehindert werden, ihren Unmut darüber zu äußern?
Diese Frage stellt sich nicht nur bei diesen olympischen Spielen, sondern eigentlich jedes Mal, wenn ein internationales Großereignis in einem armen oder mit Gewalt beherrschten Land stattfindet. Bei den Olympischen Spielen in Peking 2008, der Fußball-WM in Südafrika 2010, den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 und auch bei der Fußball-WM in Brasilien im gleichen Jahr. Die Liste ist praktisch ewig lang und wird immer länger werden, man denke nur an die Fußball WM 2022 in Katar. 
Eigentlich müsste man auf Anhieb „Nein“ sagen. Schließlich ist das Resultat meist dass eine kleptokratische Führungselite für internationale Anerkennung und kurzfristigen wirtschaftlichen Profit das Volk beraubt und die Ressourcen des Landes statt in das Wohl der Bürger in protzige Bauten steckt, die nach dem Ende der Spiele meist leer stehen. Der versprochene wirtschaftliche Aufschwung bleibt oftmals aus. 
Doch auf der anderen Seite muss man sich auch fragen, ob es denn besser wäre, wenn die Spiele nicht in diesen Ländern stattfinden würden. Wenn die Veranstaltungsorte immer wieder in der westlichen Welt liegen würden, die ärmeren Länder damit praktisch ausgeschlossen wären. Wäre damit nicht viel mehr gegen die olympische Idee verstoßen?

Es ist eine Frage die man scheinbar nicht gerecht beantworten kann. Das liegt daran, dass der Fakt, dass man sich so eine Frage stellt, selbst ein Symptom von Ungerechtigkeit ist. Letztlich ist ist entscheidende Frage nämlich, wie sollen die Privilegierten dieser Welt mit den weniger Privilegien umgehen?
Sollen sie die Nöte dieser Menschen lieber ignorieren, in dem sie die internationale Großereignisse  nicht in den weniger privilegierten Ländern veranstalten, oder in dem sie die Ereignisse dort veranstalten und es den örtlichen Autokraten überlassen, ihnen diese Menschen aus dem Blickfeld zu schaffen. „Weder noch“, muss die Antwort sein. 


Wirklich im Geiste der olympischen Idee wäre es, wenn man die Olympischen Spiele zum Anlass nähme, darüber nachzudenken, wie man die Spaltung der Menschen in arm und reich überwinden könnte. 
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