Leben wir wirklich in einer Demokratie?

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Der Mensch ist ein Herdentier. Um zu Überleben, um seinen eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden, ist er darauf angewiesen mit anderen Menschen in Gruppen zusammenzuleben. Aber damit friedliches Zusammenleben möglich ist, damit Projekte bei denen viele Menschen zusammenarbeiten gelingen, damit eine Gesellschaft funktioniert, braucht es Pläne und Gesetze. Sprich, es müssen Entscheidungen getroffen werden, die von allen betroffenen Menschen anerkannt werden.
Und so sieht sich jede Menschengruppe mit der Frage konfrontiert, wer diese Entscheidungen wie für sie treffen soll. Im Laufe der Geschichte haben Menschen auf diese Frage verschiedenste Antworten gefunden. Letztlich hat sich jedoch die Demokratie als System zur Entscheidungsfindung durchgesetzt. 

In einer Demokratie trifft, zumindest dem Namen nach, das Volk, also alle Menschen gemeinsam, die Entscheidungen. Das ist jedoch schwerer als es sich anhört, wenn man bedenkt, dass das Volk, im Gegensatz zu den Vorstellung der Totalitären aus jeder politischer Richtung, kein einheitliches Konstrukt ist, sondern aus einer Vielzahl von Individuen mit unterschiedlichen, zum Teil einander entgegengesetzten, Bedürfnissen, Interessen und Meinungen besteht. Den viel beschworenen Volkswillen gibt es also nicht. Daher müssen, wenn Entscheidungen durch das Volk getroffen werden sollen, unterschiedliche Interessen so gegeneinander abgewogen und solche Kompromisse gefunden werden, dass die Menschen davon überzeugt sind, dass diese Option mehr Menschen nutzt, als sie Menschen schadet. 
Das kann nur gelingen wenn es einen breiten Dialog gibt, an dem sich alle Menschen gleichermaßen beteiligen können und in dem die Interessen und Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen berücksichtigt werden. Einen solchen Dialog zu etablieren, ist jedoch schon aus rein logistischen Gründen unmöglich und man muss des weiteren bedenken, dass nicht jeder Mensch das Interesse und das Wissen im Bereich der Politik hat, um sich in einen solchen Dialog einzubringen. 
Um dieses Problem zu lösen gibt es das System der Repräsentativen Demokratie. Hier wird die politische Macht vom Volk durch eine Wahl auf Repräsentanten übertragen, die dann im Sinne der Menschen diesen Dialog führen. Damit ein solches Repräsentativen System wirklich demokratisch genannt werden kann, muss jedoch sichergestellt werden, dass im entscheidenden Dialog, den dann die Repräsentanten miteinander führen, die Interessen, Bedürfnisse und Meinungen eines jeden Menschen gleichermaßen berücksichtigt werden. 
Wenn wir uns also fragen, ob wir in einer Demokratie leben, müssen wir überlegen ob das auf unser parlamentarisches System zutrifft. 

Gleich auf den ersten Blick muss man ehrlich sagen, dass das nicht immer der Fall sein kann. Man denke nur an die Positionen unserer Repräsentanten beim Thema Freihandel, wo sie bereit sind, die Umwelt- und Sozialstandards für höhere Unternehmensprofite auszuhebeln, oder den Umgang mit der Eurokrise, bei denen die Interessen der Gläubiger ganz eindeutig höher stehen, als die der griechischen Bevölkerung oder der deutschen Steuerzahler. Es steht also ganz außer Frage, dass die Interessen aller Menschen nicht immer gleichermaßen beim politischen Entscheidungsprozess berücksichtigt und fair gegeneinander aufgewogen werden. Aber woran liegt das?

Zuerst einmal muss man bedenken, dass in Deutschland bei weitem nicht alle Macht in den Händen von demokratischen Institutionen, die den Auftrag haben, im Interesse aller Menschen zu handeln, liegen. Viele Entscheidungen, die das Leben vieler tausend Menschen betreffen, werden vielmehr von kleinen Gruppen von Menschen, die sich um niemand andern kümmern müssen, als sich selbst, getroffen: Nämlich fast alle Entscheidungen in der Wirtschaft. Hier werden die demokratischen Prinzipien mit Hinweis auf das Recht auf Eigentum völlig ignoriert. 
Für die meisten Menschen ist diese Trennung zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht selbstverständlich und wie in Stein gemeißelt. Dabei ist sie keineswegs ein Naturrecht, sondern existiert erst seit höchstens 300 Jahren. Davor war es selbstverständlich das die wirtschaftliche Macht in den Händen derjenigen lag, die auch die politische Macht inne hatten. 
Das an die Wirtschaft nicht die selbe Forderung nach Demokratie gerichtet wird, wie an die Politik, ist also eine Besonderheit unserer Zeit, die durchaus kritisch hinterfragt werden muss. 
Denn sie ist nicht nur an sich undemokratisch, sondern wirkt sich auch negativ auf die Funktionsweise des demokratischen Entscheidungsfindungs-Systems in den Bereichen, in denen es bereits etabliert ist, aus. Dank ihr ist es den wirtschaftlichen Machthaltern nämlich möglich unsere Repräsentanten unter Druck zu setzen. Beispielsweise durch die Drohung die Produktion in andere Länder zu verlagern, wenn sich im demokratischen Prozess Entscheidungen ergeben sollten, die ihrem Streben nach Profit widersprechen. 

Außerdem muss man sich einmal überlegen, woher die Volksvertreter überhaupt wissen sollen, welche Bedürfnisse, Interessen und Meinungen bestimme Menschengruppen haben. In Deutschland leben 80 Millionen Menschen, während der Bundestag nur rund 600 Mitglieder hat. Da ist es doch klar, dass es nur schwerlich möglich ist, einen direkten Dialog zwischen allen Teilen der Bevölkerung und den Volksvertretern zu etablieren. Hier besteht stets die Gefahr, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, die die Möglichkeit haben sich Zugang zu unseren Repräsentanten zu schaffen, ihnen vorgaukeln können, dass ihre Interessen, Meinungen und Bedürfnisse von weit mehr Menschen geteilt werden, als es eigentlich der Fall ist.  

Und selbst wenn es nun der Fall wäre, dass Politiker ganz genau wüssten, welche Bedürfnisse, Interessen und Meinungen die Menschen in Deutschland haben, sind auch Politiker nun einmal menschlich. Und wie jeder andere Mensch ist es auch für Politiker nicht möglich ganz altruistisch nur im Interesse andere Menschen zu handeln. Auch sie haben ihre eigenen Interessen stets im Hinterkopf, auch sie überlegen sich stets wie sie ihren Besitz an Geld und Macht vergrößern können. 
So liegt es in der Natur eines repräsentativen Systems, das es anfällig für Probleme wie Populismus und Lobbyismus ist. 
Unter Populismus kann man in diesem Zusammenhang verstehen, dass Volksvertreter ihr Streben nach mehr Macht über ihre eigentliche Aufgabe stellen und daher die Bedürfnisse, Interessen und Meinungen bestimmter Bevölkerungsgruppen wichtiger nehmen, als die aller anderen, um sich durch Wahlen einen Machtzuwachs zu verschaffen. Beim Lobbyismus tuen Politiker das selbe, in diesem Fall jedoch aufgrund von materiellen Gefälligkeiten, die ihnen Vertreter einer bestimmten Bevölkerungsgruppe anbieten.  

Die nicht demokratisch legitimierte Macht andere Akteure, die Trennung zwischen Abgeordneten und Bevölkerung und die pure Menschlichkeit der Abgeordneten stellen also stetiges Problem für eine, durch ein parlamentarisches System ausgestaltete, Demokratie dar. So kommt es, dass wir auch in unserer Demokratie immer wieder spüren, dass die Interessen, Bedürfnisse und Meinungen bestimmter Gruppen stärker berücksichtigt werden, als die anderer. Aber auch diese Probleme sind nicht unbekämpfbar. 
Gegen die meisten würde ein engeres Verhältnis zwischen den Menschen und Abgeordneten helfen. So könnte schon eine Veränderung der Parteistrukturen der großen deutschen Parteien, die den Menschen an der Basis mehr Einfluss geben würde, die Distanz zwischen Vertretern und Zuvertetenen verbessern. 


Schlussendlich muss man sagen, dass Demokratie keineswegs etwas ist, dass in vollkommener Form irgendwo auf der Welt real existiert, sondern vielmehr ein schwer zu erreichender Idealzustand. Doch nichts desto trotz lohnt es sich zu kämpfen, um die Art und Weise, wie wir Entscheidungen treffen, näher an diesen Idealzustand heranzubringen.  
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