Eine Linke ohne Arbeiterbewegung? Teil 2 - Sind die Arbeiter heute noch unterdrückt?

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Die Linke Idee ist es gegen jede Art von Unterdrückung für freie Gesellschaft zu kämpfen. Linke sind also diejenigen, die denen, die aufgrund ihnen gegenüber repressiven Machtstrukturen daran gehindert werden ihre materiellen und sozialen Bedürfnisse zu befriedigen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, helfen, in dem sie die Machtstrukturen verändern. Seit der Industriellen Revolution, schien stets klar, wer von den Machtstrukturen des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systems am ärgsten unterdrückt war. Die Arbeiter!
Deshalb kämpfte die europäische Linke stets für bessere Lebensumstände der Arbeiter und rekrutierte und agitierte daher vor allem im Arbeitermilieu. Die Linke Bewegung in Europa war eine Arbeiterbewegung.

Heute jedoch sieht die Sache anders aus. Immer weniger Arbeiter identifizieren sich heute noch als Linke. Die linke Arbeiterbewegung scheint abgeflaut zu sein. Die Institutionen der Arbeiterbewegung, wie Gewerkschaften, Arbeiterparteien und Vereine, leiden unter Mitgliederschwund und fehlender Anerkennung. Immer mehr sind Akademiker und Intellektuelle, die aus „angelesener“ Überzeugung gegen Ungerechtigkeit kämpfen wollen, zu den Trägern der linken Bewegung geworden. Aber wieso? Wieso gibt es diese Trennung zwischen den Arbeitern und der politischen Linken? 

Ein möglicher Erklärungsansatz wäre, dass Arbeiter,  präziser Lohnabhängige, heutzutage, zumindest in Westeuropa, nicht mehr unterdrückt sind. Zweifellos gibt es noch andere Erklärungsansätze, aber dieser muss auch ernst genommen werden. Werden Lohnabhängige aufgrund der Machtstrukturen in unserer Gesellschaft heute noch davon abgehalten ihre materiellen und sozialen Bedürfnisse zu erfüllen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen?

Auf den ersten Blick sind die Machtstrukturen in der Wirtschaft unverändert. Noch heute besteht die Spaltung der Menschheit, in diejenigen, die vom Ertrag des von ihnen besessen Kapitals leben können, und diejenigen, die zum Überleben ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Daran hat sich nichts geändert. 
Zu Anfangszeiten der linken Bewegung bedeutete das, dass die Kapitaleigentümer Macht über die Lohnabhängigen hatten, was sie ausnutzten um diese für ihren persönlichen Profit auszubeuten und damit zu unterdrücken. Diese Macht stützte sich vor allem darauf, dass, egal welche Stelle im Betrieb sie besetzten wollen, das Angebot an Arbeitskräften stets höher war als ihre Nachfrage. Der Preis der Arbeitskraft, der Lohn, war also niedrig, in beinahe allen Fällen zu niedrig um damit die materiellen und sozialen Bedürfnisse der Arbeiter zu befriedigen.  
Und hier hat sich seitdem etwas gewandelt. Für viele Stellen im Betrieb wird heutzutage KnowHow benötigt, das nur wenige Menschen haben. Zumindest wenn es um gut ausgebildete Menschen geht, ist die Nachfrage nach ihrer Arbeitskraft im Verhältnis zum Angebot so groß, dass die Löhne für viele Lohnabhängige zufriedenstellend hoch sind. 
Und noch etwas anderes hat die Macht der Eigentümer beschnitten: Die politischen und sozialen Auswirkungen der Arbeiterbewegung. Arbeitnehmerschutz-Gesetze, Sozialversicherungen, die gesetzliche Stellung von Gewerkschaften und andere staatliche und zivilgesellschaftliche Maßnahmen haben das Leben der Lohnabhängiger dauerhaft verbessert. 

Doch aufgrund dieser Entwicklungen zu behaupten, das Leben der Lohnabhängigen würde nicht mehr von repressiven Machtstrukturen erschwert werden, wäre auch nicht korrekt. 
Zumal die erste Entwicklung sowieso nur für Menschen gilt, die Zugang zu Bildung hatten und sich daher gefragtes KnowHow aneignen konnten. Wer keine Möglichkeit hat, dies zu tun, hat auch heute noch zu leiden. Das wird dadurch verschärft, dass niedrig qualifizierte Arbeiter heutzutage auf dem internationalen Markt mit Menschen in der dritten Welt konkurrieren müssen. Ihnen droht daher ständig Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg und materielle Not. 
Und auch die staatlichen Regelungen, die die Arbeiter gegenüber den Eigentümer der Produktionsmittel eine gewisse Macht geben, sind in Gefahr. Durch die Globalisierung können sich die Kapitalisten heutzutage aussuchen, in welchem Staat sie den Menschen ihre Arbeitskraft abkaufen. Da sie das natürlich stets in den Staaten machen, in denen die staatliche Regulierung des Arbeitnehmer-Arbeitgeber Verhältnisses am laxesten ist, aber jeder Staat ihr Kapital bei sich haben will, setzten sie somit die Staaten unter Druck ihre Regulierungen zu lockern. Dieser Race-To-The-Bottom-Effekt, die Konkurrenz der einzelnen Staaten, darum welcher am Investoren-freundlichsten ist, bedeutet praktisch mehr Unterdrückung für die Lohnabhängigen.  
Des weiteren muss man sagen, dass auch hochqualifizierte Arbeitskräfte, ihren Job nicht mehr frei wählen können, wenn sie aufgrund von Schulden, Familie oder ähnlichem erst einmal in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Viele sehen sich dann an einen Job gebunden und stehen ihrem Arbeitgeber damit machtlos gegenüber. 

Und wenn man einmal über Deutschland und Westeuropa hinaus und dahin, wo heutzutage ein großer Teil der industriellen Fertigung stattfindet, schaut, nämlich in Entwicklungs- und Schwellenländer, ist es völlig absurd von nicht unterdrückten Arbeitern zu sprechen. Hier sind durch das Zusammenspiel von schwachen und/oder undemokratischen Staaten und der Profitsucht der Kapitalisten Zustände der absoluten Machtlosigkeit der Arbeiter entstanden. 

Zusammengefasst könnte man sagen, dass in unserem heutigen globalen System die Unterdrückung der Arbeiterschaft, der Masse der Lohnabhängigen, nach wie vor gegeben ist. Jedoch scheinen sich die Zustände zumindest in Westeuropa, durch Sozialgesetzgebung und hoher Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitern, so verbessert zu haben, dass viele Lohnabhängige sie für tolerierbar genug halten, um nicht mehr gegen sie Aktiv zu werden . Gleichzeitig gibt es in den meisten Gebieten, in denen Arbeiter heute noch extrem unterdrückt werden, vor allem in Schwellen und Entwicklungsländer, keine traditionelle Arbeiterbewegung. 

Diese Veränderungen im Verhältnis zwischen Kapitaleigentümern und Lohnabhängigen mögen nicht der einzige Grund für das Abflachen der Arbeiterbewegung sein, ignorieren kann die politisch Linke sie aber in keinem Fall. 
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By Children's Bureau Centennial; Lizenziert unter CCBY 2.0

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